Ob Lasergewehre in polnischen Sporthallen, Drohnenlabore an Litauens Grenze oder obligatorische Verteidigungsstunden im Baltikum – Europas Klassenzimmer verändern sich rapide. Immer öfter rücken Schießtraining und militärische Fertigkeiten in den Stundenplan, getrieben von der Angst vor einem eskalierenden Russland – und flankiert von kontroversen Debatten um Pädagogik und Politik.
Pflichtfach Feuerkraft: Polens Laser-Gewehre für Achtklässler

In über 18 000 Schulen üben polnische Teenager seit diesem Schuljahr das Zerlegen, Montieren und Zielen – allerdings mit Laserwaffen im Turnsaal. „Education for Safety“ heißt das neue, verbindliche Fach, das Mädchen und Jungen ab 14 Jahren in die Grundlagen des Schießens und der taktischen Rettung einführt. Der Staat reagiert damit offen auf die Kriegsangst an der Ostflanke der EU.
Was zunächst wie ein Abenteuer klingt, folgt einem strikten Raster: Eine Stunde pro Woche, begleitet von Sanitäts- und Cyberschutz-Modulen. Befürworter feiern das Programm als „nüchterne Vorsorge“, Kritiker warnen vor der Normalisierung von Waffen in Kinderhänden. Wie andere Länder den polnischen Weg deuten, erfahren wir gleich.
Lettlands Verteidigungsunterricht: Vom Lehrbuch zur Zielscheibe

Seit September ist „Nacionālā aizsardzība“ Pflichtfach für alle Sekundarschüler. Acht Unterrichtstage pro Jahr wechseln zwischen Theorie und praktischen Outdoor-Camps, in denen Kleingruppen Schießstände im Wald improvisieren, taktische Karten lesen und Erste Hilfe unter Beschuss trainieren. 317 speziell geschulte Instruktoren reisen durchs Land, um auch entlegene Dörfer zu erreichen.
Der logistische Kraftakt bleibt nicht ohne Reibung: Mangelnde Schießplätze in Riga, überfüllte Turnhallen, spontane Busshuttles aufs Land. Doch seit dem ersten Evaluierungsbericht im Juni 2025 gilt das Pilotjahr als Erfolg – sogar die Personallücke schrumpft. Ein Nachbarstaat setzt indes auf Hightech statt Gewehrlauf.
Litauens Drohnen-Klassen: Programmieren, fliegen, verteidigen

In Tauragė, nur 20 Kilometer von Russlands Kaliningrader Enklave entfernt, startete Mitte September das erste von neun AirTech-Zentren. Kinder ab zehn üben dort FPV-Flüge in Virtual-Reality-Simulatoren, montieren Quadcopter und lassen Minidrohnen durch indoor Parcours rauschen. Hinter dem Technik-Spaß steht das Verteidigungsministerium – Drohnen gelten als „Billig-Luftwaffe“ der Zukunft.
Schon jetzt analysieren Jugendliche Aufklärungsvideos und testen Störfunk-Manöver, während Fachkräfte aus NATO-Einheiten hospitieren. Die Botschaft ist klar: Wer Drohnen beherrscht, braucht vielleicht seltener das Sturmgewehr. Doch nicht überall setzt man auf Bits und Rotoren.
Estlands Lehrplan der Landesverteidigung: Pflicht für jedes Oberstufenzeugnis

Seit Herbst 2023 ist der Theoriekurs „Riigikaitse“ für alle Oberstufenschüler vorgeschrieben; seit diesem Jahr kommt ein freiwilliges Feldlager dazu. Dort lernen die 16- bis 18-Jährigen Marschieren, Orientieren – und scharfes Schießen unter Anleitung der Verteidigungsliga. Vierzig weitere Schulen schlossen sich 2025 an, unterstützt von Reserveoffizieren und Online-Modulen.
Besonders betont wird der „whole-of-society“-Ansatz: Nach dem Abschluss kennen die Schüler nicht nur die Mechanik eines R-20-Gewehrs, sondern auch die Abläufe einer Notmobilmachung. Während die Balten verteidigen, wird in Russland längst offensiv gedrillt.
Russlands Jugend auf dem Schießstand: Von der Tafel zum Kalaschnikow-Lauf

In Wladikawkas tauschen 14-Jährige seit 2023 Mathestunden gegen das Klicken einer AK-47. Das Fach „Grundlagen der Lebenssicherheit“ umfasst Waffenkunde, Erste Hilfe und Gefechtsrollen – ein Curriculum, das mit jedem Kriegsmonat weiter wächst. Befürworter nennen es „patriotische Pflicht“, Menschenrechtler sehen darin die systematische Militarisierung einer Generation.
Die Jugendlichen selbst berichten von „Schwierigkeiten beim Rückstoß“, aber auch von Stolz, Teil eines „siegreichen Kollektivs“ zu sein. Diese Entwicklung erhöht den Druck auf EU-Hauptstädte – und entfacht eine hitzige Grundsatzdiskussion.
Streitpunkt Schul-Militarisierung: EU-Politik zwischen Schutz und Pädagogik

Brüssel mahnt am Internationalen Tag zum Schutz der Bildung, Schulen dürften niemals Kampfzonen werden – gleichzeitig sichern Ost-Mitglieder das Klassenzimmer als erste Verteidigungslinie. Bildungsforscher warnen vor Traumata, während Verteidigungsexperten die „Stunde der Wahrheit“ sehen: Wer jetzt nicht ausbildet, könnte morgen wehrlos sein.
Ob Laser, Drohne oder Kalaschnikow – Europas Jugend rückt ins Visier strategischer Planungen. Die offene Frage bleibt, wo die Balance zwischen Staatsschutz und Kinderschutz liegt. Während Ministerien Nachahmerprogramme prüfen, blicken Eltern gespannt auf das nächste Schuljahr – und fragen sich: Wird die Sporttasche bald durch den Gehörschutz ersetzt?